Prävention

Interview mit Prof. Christoph Bamberger zum Thema Gesundheitsvorsorge

Lesezeit: 8 Minuten


Unser heutiger Interview-Partner ist Professor Christoph Bamberger von Conradia Medical Prevention, einem der führenden Anbieter von Vorsorgeuntersuchungen in Deutschland. Im Interview erläutert uns Professor Bamberger seine Sicht auf die Gesundheitsvorsorge und gibt Tipps für ein nachhaltig gesundes Leben.

Lieber Herr Professor Bamberger, vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für das Interview nehmen. Sie sind nicht nur Gründer und Direktor von Medical Prevention in Hamburg, sondern auch ein bundesweit anerkannter Internist und Endokrinologe. Mögen Sie sich den Lesern, die Sie noch nicht kennen, einmal in Ihren Worten vorstellen?

Ja, sehr gerne. Mein Name ist Christoph Bamberger. Ich bin von Haus aus Internist und Endokrinologe, also Hormonexperte. Ich habe in den 2000er Jahren die erste Professur für Endokrinologie und Stoffwechsel des Alterns am UKE (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) innegehabt. Dort bin ich auch noch weiter als Professor in der Lehre tätig, habe aber 2006 das damalige medizinische Präventionszentrum Hamburg gegründet, das heute Conradia Medical Prevention Hamburg heißt. Wir beschäftigen uns schwerpunktmäßig mit Vorsorge und Früherkennungsuntersuchungen, auf Basis derer im Anschluss ganz gezielte Lebensstil-Empfehlungen an unsere Patientinnen und Patienten gegeben werden. Zu dem Thema habe ich auch ein paar Bücher veröffentlicht. Schwerpunkte in meinen Büchern sind neben der Prävention und der Vorsorge auch Stressmanagement und gesunder Schlaf.

In Zeiten von Corona beschäftigen wir uns eigentlich tagtäglich mit unserer Gesundheit oder der unserer Liebsten. Nichtsdestotrotz berichten auch viele Ärzte über einen Rückgang bei Patienten, gerade was die Vorsorge anbelangt. Wie ist Ihr Eindruck von dem aktuellen „Gesundheitsverhalten“ der Deutschen?

Diesen Eindruck kann ich initial bestätigen. In der ersten Corona-Phase haben viele Menschen nicht-notwendige Untersuchungen zunächst einmal verschoben. Erfreulicherweise hat sich das dann aber gegeben. Man hat festgestellt, dass Corona wohl eine Sache ist, mit der wir noch länger leben müssen. Somit können wir nicht unser gesamtes Leben daran anpassen bzw. darauf ausrichten. Es gibt nach wie vor auch noch andere Probleme, die möglicherweise und im Einzelfall, sogar schlimmer sind als Corona. Eine frühzeitige Entdeckung ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig.

Obwohl diese frühzeitige Erkennung schwerer Krankheiten so enorm wichtig ist, blenden viele Menschen das Thema der Gesundheitsvorsorge für sich komplett aus. Das fängt bei Impfungen an und geht bis hin zu anderen Maßnahmen der Früherkennung. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ich glaube, im Vordergrund steht bei vielen Menschen immer noch die Angst, dass tatsächlich etwas gefunden wird. Das ist aber natürlich ein absurder Gedankengang. Ich vergleich das gerne mit der Situation, wo man am Flughafen in den Ferien-Flieger steigt, dann aber sagt, dieser solle bitte nicht untersucht werden, man könne ja sonst etwas finden. Das ist ja Quatsch. Natürlich sollte das Flugzeug gründlich geprüft und bei vorhandenem Defekt repariert werden. Glücklicherweise hat sich bei den Menschen aber in den letzten 15 Jahren, in denen wir hier tätig sind, das präventive Bewusstsein deutlich verändert. Immer mehr Patienten gehen rationaler an die Sache heran. Wenn wir tatsächlich etwas finden, gehören diese zu unseren treuesten Patienten. Schließlich konnten wir sie meistens rechtzeitig retten.

Mit dem „Präventionsindex“ wurde kürzlich ein Projekt bzw. Index der Uni Bielefeld vorgestellt, welches zeigen soll, wo Deutschland bei der Gesundheitsvorsorge steht. Darüber soll auch die Politik motiviert werden, sich mehr im Präventionsbereich zu engagieren. Denken auch Sie, dass auf politischer Ebene in Deutschland mehr für die Gesundheitsvorsorge getan werden müsste?

Ich denke, es wird in Deutschland mehr getan, als die meisten Leute annehmen. Unsere gesetzlich eingeführten Vorsorgeprogramme sind schon ziemlich umfangreich, auch im Vergleich mit anderen Ländern. Die Programme beginnen bei Frauen sehr früh mit den regelmäßigen gynäkologischen Untersuchungen. Dann gibt es zahnärztliche Untersuchungen für beide Geschlechter und ab Mitte 30 auch Laboruntersuchungen. Später kommen Prostata-Untersuchung, Mammographie und Darmspiegelung als sehr wichtige Vorsorgeuntersuchungen hinzu. Das sollte erst einmal alles schön wahrgenommen werden, bevor man sagt, es sei nicht genug. Ich wäre sehr froh, wenn die Wahrnehmungsquote bei diesen Untersuchungen nicht bei 50%, sondern eher bei 90% liegen würde. Nichtsdestotrotz sollte sich der Staat, meiner Meinung nach, nur bis zu einem gewissen Punkt einmischen. Ähnlich wie bei der aktuellen Corona-Impfung, sollte es meines Erachtens lediglich ein Recht auf Prävention geben, aber keine Pflicht dazu. Ansonsten fühlen sich die Menschen – zu Recht – in ihrer Freiheit eingeschränkt. Ich denke, es ist besser, mehr Anreize über die Versicherungen zu schaffen, z.B. über ein Bonusprogramm oder Beitragsreduzierungen, wenn sich jemand aktiv um die eigene Gesundheitsvorsorge kümmert. Diesbezüglich stehen wir aber leider noch am Anfang.

Aber die Menschen, die wirklich regelmäßig die gesetzlich angebotenen Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, bekommen darüber auch eher selten ein Gefühl von Sicherheit vermittelt bzw. haben danach auch nicht vollkommene Gewissheit, „tatsächlich nicht krank zu sein“. Dafür scheint die gesetzliche Vorsorge zu kurz und vielleicht auch nicht gründlich genug zu sein. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ja, in der Tat, es fehlen wirklich Untersuchungen. Ich habe jetzt erst einmal eine Lanze dafür gebrochen, diese überhaupt wahrzunehmen. Aber natürlich sind sie aus meiner Sicht und aus dem, was wir hier erleben, bei weitem nicht ausreichend. Es wird sehr viel übersehen. Gerade bei Laboruntersuchungen fehlen viele wichtige Parameter. Beispielsweise wird die Schilddrüse nicht mit untersucht, obwohl 10% aller Menschen im Laufe ihres Lebens eine Schilddrüsen-Erkrankung bekommen. Auch halte ich den PSA-Wert, die Prostata-Tumor-Marke, für einen sehr wichtigen Wert, der immer noch nicht berücksichtigt wird. Ebenso sind Ultraschall-Untersuchungen sehr sinnvoll, z.B. um sehr früh Veränderungen an den Hals-Arterien zu erfassen. Also ja, die Programme könnten und sollten wirklich noch erweitert werden.

Wie unterscheidet sich denn dann der Gesundheits-Check-Up bei Conradia Medical Prevention vom gesetzlichen Gesundheitscheck-Up ab 35?

Es gibt tatsächlich verschiedene Aspekte, bei denen sich unser Programm von der gesetzlich erstatteten Präventionsleistung unterscheidet. Zum einen ist das natürlich die Zeiteffizienz. Sie bekommen bei uns an einem Tag einen ganzheitlichen Check. Sie müssen also keine verschiedenen Arzttermine vereinbaren, sondern können alles „mit einem Abwasch“ erledigen. Der zweite sehr wichtige Aspekt ist der Umfang. Wir bieten Untersuchungen an, die bei der gesetzlichen Vorsorge nicht eingeschlossen sind, aber doch sehr wichtig für die Früherkennung bestimmter Krankheiten sind. Das fängt mit einem Ultraschallprogramm zur Untersuchung der Schilddrüse an. Gerade bei Frauen ist dieses Organ sehr häufig betroffen, Schilddrüsenerkrankungen wie Hashimoto oder Schilddrüsenknoten finden wir bei 50% unserer Patienten. Dann die besagten Hals-Arterien. Wir schauen uns an, wie das Herz pumpt und untersuchen die Bauchorgane inkl. Leber, Niere und Prostata. Außerdem führen wir noch ein Belastungs-EKG durch, um einen Eindruck von der körperlichen Fitness zu bekommen und Hinweise auf eventuelle Durchblutungsstörungen zu erhalten. Wir machen auch eine Lungenfunktionsuntersuchung, eine hautärztliche Untersuchung und eine augenärztliche Untersuchung, um Frühveränderungen für altersbedingte Augen-Erkrankungen zu erkennen, die zu Erblindung führen können. Dazu gehören grauer und grüner Star, aber insbesondere auch die Makuladegeneration, für die man die Netzhaut untersuchen muss. Das ist eine Untersuchung, die vom Optiker nicht durchgeführt wird. Und als noch ganz spezielles Tool haben wir die Ganzkörper-Kernspintomographie, ein strahlenfreies Verfahren, bei dem wir in 45 Minuten den gesamten Körper von Kopf bis Fuß darstellen und Tumore sowie Gefäßveränderungen o.ä. ausschließen können. Das ist ganz besonders wichtig, da auch die sonographischen Vorsorgeuntersuchungen beim Hausarzt nicht alle Organsysteme, insbesondere den Kopf, erfassen. Wir wollen aber auch sehen, wie das Gehirn ist, also, ob es bspw. vorzeitige Gehirnschrumpfungen gibt, die auf ein Demenzrisiko hindeuten. Auch die Organe im Brustkorb werden gemeinhin nicht so gut untersucht. Man kann bei uns auch eine Mamma-MRT miteinschließen, was als Brustkrebsvorsorge ohne Röntgenstrahlen deutlich schonender ist, als die herkömmliche Mammographie. Das gleiche gibt es auch für die Prostata, um mittels MRT Prostata-Krebs vollkommen ausschließen zu können. Vor allem die Kernspintomographie ist so aufwändig, dass das sicherlich auch zukünftig nicht vom Staat bzw. der jeweiligen Versicherung getragen werden kann. Hier ist Eigenverantwortung gefragt. Jeder sollte sich – meiner Meinung nach – fragen, wieviel er für seine Gesundheitsvorsorge bereit ist zu zahlen und ob er zur Finanzierung dessen an anderen Stellen beim Lebensstil sparen kann. Am Ende hat man entweder die Gewissheit, tatsächlich vollkommen gesund zu sein – und das nicht nur auf Grundlage eines „Pseudo-Checks“ – oder man kann sich freuen, dass eine Krankheit oder ein Risikofaktor rechtzeitig entdeckt wurde.

Ja, Gesundheitsvorsorge kann eigentlich nicht hoch genug priorisiert werden. Stellen Sie eine Entwicklung bei den identifizierten Krankheiten fest? Gibt es beispielsweise mehr Menschen mit diagnostiziertem Bluthochdruck, Adipositas oder Krebserkrankungen?

Krebserkrankungen sind schon recht verbreitet. Wir stellen bei ungefähr jedem 100. Patienten einen abklärungsbedürftigen Tumor fest. Dieser kann allerdings auch gutartig sein und die Häufigkeit hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Das durchschnittliche Körpergewicht geht schon hoch über die Jahre, das ist völlig klar. Was die anderen Krankheiten anbelangt, so haben wir hier im Präventionszentrum ein etwas verzerrtes Bild. Viele unserer Patienten sind uns seit den Anfängen unserer Praxis treu geblieben und diese werden natürlich älter, was automatisch zu mehr Krankheiten führt. Weiterhin kommen viele Patienten auch erst zu uns, wenn sie schon unklare Beschwerden haben, die sie untersucht haben möchten.

Abschließend noch andersherum gefragt: Was braucht es für ein langfristig gesundes Leben? Was sind die Säulen für langanhaltende Gesundheit?

Wir haben hier in Hamburg ein Vier-Säulen-System entwickelt. Das beginnt in der Tat mit Vorsorgeuntersuchungen, da man auf der Basis der hier gewonnenen Erkenntnisse auf der zweiten Stufe Lebensstilanpassungen individualisieren kann. Natürlich kennen wir alle die generellen Regeln „nicht rauchen, sich viel bewegen, sich gesund ernähren und Gewicht halten“, aber jeder Körper ist nicht gleich empfindlich in den jeweiligen Bereichen. Für den einen sind bspw. zwei Glas Wein schon zu viel, ein anderer trinkt fast eine Flasche pro Tag. Letzteres ist ärztlich zwar nicht zu empfehlen, scheint aber bei dieser Person erst einmal keine direkten gesundheitlichen Folgen zu haben. So kann also über die Vorsorgeuntersuchung die „Achillesferse“ eines jeden Individuums identifiziert werden.

Die zweite Stufe sind dann Lebensstilmaßnahmen, für die wir an dem Tag hier die Grundlage schaffen wollen. Viele sehen den Tag hier als Starting Point bzw. Motivator, um mit einem gesünderen Lebensstil zu beginnen, also bspw. das Rauchen aufzuhören oder sich mehr zu bewegen. Wichtig ist dabei allerdings, einen Lebensstil zu wählen, der gleichzeitig auch genussvoll ist. Nur wenn man sich nicht kasteit und der Lebensstil den Automatismus eines Zähneputzens bekommt, dann kann man ihn langfristig aufrechterhalten.

Die dritte Stufe ist die Einnahme von bestimmten präventiven Medikamenten oder auch manchmal von Hormonen. Ein berühmtes Beispiel dafür sind die Statine, also die Cholesterin-Senker bei Menschen mit exzessiv-hohen Cholesterin-Werten, meistens familiär bedingt. Diese sind in der Regel durch Ernährung nicht zu regulieren. Und die vierte Stufe ist das, was man als psycho-mentales Wellbeing bezeichnen würde. Dieses hat einen enormen Anteil an der gesunden Lebenserwartung. Es wird dadurch beeinflusst, wie man sozial eingebunden ist, ob man im Leben einen Sinn sieht und Menschen hat, die einem etwas bedeuten. Auch eine Aufgabe zu haben, ist enorm wichtig, vor allem im Alter, wenn der Beruf wegfällt. Was das Berufsleben anbelangt, so muss das Stresslevel im Blick behalten werden. Psycho-mentale Faktoren sind nicht zu unterschätzen. Man sagt heute, dass ein Drittel der modifizierbaren Lebenserwartung auf diese Komponente zurückzuführen ist.

Lieber Professor Bamberger, vielen Dank für das Interview und die vielen interessanten Einblicke!

Weiterführende Informationen:

Kurz-Vorstellung der Gesundheits-Check-Ups bei Conradia Medical Prevention
Webseite von Conradia Medical Prevention

Fit Reisen bei Instagram
Sitemap