Emotionales Essen und Abnehmen: Interview mit Dr. Dotzauer

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Interview mit Dr. Dotzauer: Emotionales Essen und Abnehmen

Herr Dr. Dotzauer hat sich die Zeit genommen um mit Fit Reisen über das Thema Abnehmen zu sprechen und wie unsere Emotionen unser Verhalten zum Thema Essen beeinflussen können.

Dr. Dotzauer im Interview mit Fit Reisen zum Thema: Emotionales Essen und Abnehmen

Dr. med. Dominik Dotzauer ist privater Gesundheitsberater, Arzt, Autor und Ernährungsmediziner DGEM/DAEM. Er hilft seinen Klienten dabei, ein entspanntes Essverhalten zu entwickeln und ein Gewicht zu erreichen, mit dem sie sich wohlfühlen. Als ehemals Übergewichtiger ist er seinen Weg selber gegangen und hat seine Gewohnheiten dauerhaft umgestellt. Heute hilft er auf evidenzbasierte und esoterikfreie Art seinen Klienten und Lesern ihren eigenen Weg zu finden.

Hallo Herr Dr. Dotzauer, vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben, um über dieses spannende Thema zu berichten. Gerne würde ich zunächst von Ihnen wissen, wie wichtig ein Normalgewicht für die Gesundheit ist?

Das ist extrem wichtig. Wobei ich bei dem Begriff „Normalgewicht“ vorsichtig wäre. Ich mag den Begriff Wohlfühlgewicht lieber, auch wenn dieser unspezifischer ist. Das Normalgewicht würde sich nach dem BMI ausrichten, welcher in den meisten Fällen natürlich sehr aussagekräftig ist, aber nicht immer zutreffen muss. Hier wird nur das Gewicht relativ zur Körpergröße betrachtet.

Beim Wohlfühlgewicht steht die Gesundheit im Vordergrund, also ob die Blutwerte und die Funktionen im Körper in Ordnung sind und ob wir über genügend Energie verfügen. Denn zu viel Körperfett kann schließlich zu Erkrankungen führen.

In welchen Fällen könnte der BMI nicht zutreffen?

Wenn Menschen über sehr viel Muskulatur oder Knochenmasse verfügen oder eben über sehr wenig. Ein Beispiel dafür sind Profi-Bodybuilder. Sie verfügen über sehr viel Muskelmasse und werden mit ihrem Gewicht über dem BMI liegen. Bei ihnen gibt es aber keine Gründe dafür, dass sie abnehmen müssten.

Wieso entwickeln Menschen denn ein ungünstiges Verhältnis zum Thema Essen und nehmen als Folge dessen zu?

Es gibt verschiedene Gründe, warum wir zu viel essen. Der erste Punkt ist der natürliche körperliche Hunger, bei dem wir nicht gelernt haben, ihn mit der richtigen Ernährung zu befriedigen und dementsprechend zu viel essen.

Der zweite Punkt ist, dass Lebensmittel ständig in unserer Umgebung zur Verfügung stehen. Im Alltag sind wir von Reizen umgeben, also von günstigen und leckeren Gerichten, auf die unser Gehirn reagiert und schon tappen wir in die Verfügbarkeitsfalle. Der Grund dafür ist, dass unser Körper noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist. Unser Körper denkt noch, dass wir in der Steppe oder im Urwald leben, wo wir nicht ständig an Nahrungsquellen kommen. Also reagieren wir auf Leckereien, wie zum Beispiel den Kuchen im Pausenraum.

Der dritte Punkt ist, dass wir uns von unseren Emotionen leiten lassen und emotional essen.

Was verstehen Sie unter emotionalem Essen?

Emotionales Essen ist sozusagen der Kopf-Hunger. Die Ursachen für diese Art von Hunger liegen im Kopf und bei den Emotionen. So kann es sein, dass wir traurig sind und uns belohnen wollen oder aber man ist wütend und möchte sich beruhigen. Außerdem neigen wir zu emotionalem Essen, wenn wir gestresst sind und runterkommen wollen. Dies ist häufig abends der Fall, wenn wir nach Hause kommen. Dabei spielt zum Teil ebenfalls mit rein, dass dann niemand zuguckt. Oft haben Menschen nämlich auch Scham, so viel vor Leuten zu essen und greifen dann erst abends allein zu.

Wie kommt es zu emotionalem Essen?

Der Punkt ist vor allem, dass sich das Essen als eine ziemlich gute Lösung herausgestellt hat, um sich von den unangenehmen Emotionen zu befreien. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass man weder gierig, faul noch undiszipliniert ist, sondern dass es Verhaltensmuster sind, die uns gedient haben. Langfristig gesehen ist das natürlich problematisch, aber kurzfristig betrachtet, hilft ein Stück Kuchen extrem zuverlässig, weil es biochemisch auf unseren Körper wirkt. Viele Menschen haben gelernt, dass sie so zur Ruhe kommen und entspannen. Und dann ist es ja auch ganz klar, dass wir automatisch zugreifen, weil wir bisher noch keine bessere Alternative gefunden haben.

Ist emotionales Essen genetisch bedingt oder wird es uns beigebracht?

Definitiv beides! Das Genetische zeigt sich darin, dass es Menschen gibt, die unter Stress sehr viel essen und Menschen, denen sich der Magen zuschnürt, wenn sie gestresst sind. Bei den Menschen, die unter Stress viel essen, fällt der Leptinspiegel. Leptin ist eins der wichtigsten Hormone, wenn es um das Thema Gewichtsregulation und Abnehmen geht, denn ein hoher Leptinwert bedeutet, dass wir satt sind und uns bewegen wollen, während ein niedriger Leptinspiegel uns schlapp fühlen lässt und Hunger verursacht. Es handelt sich dabei um etwas rein Biologisches, auf das wir so erst mal keinen Einfluss haben und es auch nicht, durch zum Beispiel eine Spritze Leptin, regeln könnten. Das geht leider nicht.

Zusätzlich zu den genetischen Ursachen kommen die Gewohnheiten, die wir als Kind von den Erwachsenen durch das Zuschauen oder direkte Instruktionen übernehmen.

Ein Beispiel: Wir sind traurig und bekommen dann direkt ein Stück Schokolade, weil unsere Eltern vielleicht auch mit dem Gefühl überfordert sind und nicht wissen, wie sie anders trösten sollen. Es kann auch sein, dass Liebe durch Essen kommuniziert wird, dann verkabelt der junge Kopf das Gefühl von Essen und sich geliebt fühlen. In dieser vulnerablen Phase des Lebens wird Kindern das Leben gezeigt. Sie übernehmen die Angewohnheiten mit ins Erwachsenenalter. Später ist es dann nicht mehr so leicht, sich selbst umzuerziehen oder diese Angewohnheiten abzutrainieren.

Warum ist es aus psychologischer Sicht dann nicht so leicht, sich diese Angewohnheiten abzutrainieren? Welche generellen emotionalen Blockaden stehen dem Abnehmenden im Weg?“

Es gibt einige tiefverankerte Probleme. Es kann zum Beispiel sein, dass man Angst hat, übersehen zu werden, wenn man nicht mehr übergewichtig ist. Außerdem können die Pölsterchen als eine Art Schutzpanzer dienen. Das heißt, dass Menschen sich eher auf das Thema „Essen“ konzentrieren, anstatt sich mit gewissen Dingen auseinanderzusetzen, vor denen sie Angst haben oder von denen sie überfordert sind. So wird das Essen zu einer Art Dauerbeschäftigung, die die persönlich gewünschte Ablenkung bringt.

Wie steht es um Süßigkeiten in Bezug auf das Abnehmen? Muss ich auf Süßigkeiten verzichten?

Das Problem bei Süßigkeiten ist, dass sie nicht satt machen. Aber sie sind nicht so schädlich, wie man oft denkt. Sie sind aber insofern schädlich, als dass sie zu einer Energie-Vergiftung führen können, also dazu, dass zu viele Kalorien aufgenommen werden und es zu einem Energieüberschuss kommt. Es kommt auf die Dosis und auf den Kontext an. Wenn jemand sich nicht bremsen kann beim Verzehr von Süßigkeiten oder diese aufgrund von Traurigkeit zu sich nimmt, ist das natürlich problematisch.

Wie ist es beim Thema Stress? Wie wirkt sich dieser auf das Abnehmen aus?

Zum einen kann es sein, dass Menschen unter Stress mehr Kalorien zu sich nehmen, weil sie gar nicht merken, was sie gerade essen. So ist es schwierig, im Kalorien-Defizit zu bleiben. Ein anderer Punkt ist, dass es unter Stresshormonen zu Wassereinlagerungen im Gewebe kommen kann. So können wir dann zwar Fett abnehmen, aber die Waage bleibt erst mal gleich.

Wichtig ist ein erholsamer Schlaf. Wenn der Schlaf gestört ist, wird es mit der Fettabnahme schwieriger und man entwickelt über den Tag hinweg mehr Hunger und Appetit.

Und es sollte sich natürlich angeschaut werden, was der Stress emotional mit einem macht. Wenn wir unter Stress zum Essen greifen, ist das natürlich kontraproduktiv.

Kann gesundes dauerhaftes Abnehmen auch ohne Sport funktionieren?

Absolut, das funktioniert definitiv ohne Sport. Aber es ist wichtig zu verstehen, dass es mit Sport noch einmal viel einfacher ist. Dabei würde es reichen, ein bis zwei Stunden in der Woche zu trainieren. Dadurch erhält man schon sehr gute Ergebnisse. Wenn man aber keinen Sport machen möchte, kann man trotzdem abnehmen.

Warum fällt es einigen Menschen schwer abzunehmen und einigen Menschen sehr leicht?

Das ist zum Teil genetisch bedingt. Einige Menschen nehmen schneller und leichter zu als andere, das kenne ich auch aus meiner eigenen Familie. Einige Menschen sind einfach schneller satt als andere Menschen oder haben andere Routinen zum Essen entwickelt. Vielleicht hatten sie auch Glück, eine richtige Ernährung aus dem Elternhaus mitzubekommen.

Es ist ein bisschen so, als wenn man reiche Erben mit Leuten vergleicht, die für ihr Geld arbeiten müssen. Manche haben einfach einen riesigen Vorteil mitbekommen und andere halt nicht.

Das ist natürlich unfair, aber man muss erkennen, dass die Ursachen und die Ausgangslage unterschiedlich sind. 

Welche Motivationsstrategien funktionieren beim Abnehmen wirklich?

Das ist leider so pauschal nicht zu beantworten. Man muss sich dies immer im Einzelfall angucken. Es wäre schön, wenn es mit einem einzigen Tipp getan wäre. Dann wäre die Problematik um das Übergewicht vermutlich schon Geschichte.  Aber manchmal ist es so, dass ein Ratschlag bei einer Person funktioniert und bei einer anderen Person schadet. Die Situation muss immer individuell betrachtet werden.

Wie schafft man es, sein eigenes Gewicht zu akzeptieren?

Ich würde nicht empfehlen, das eigene Gewicht zu akzeptieren, wenn man übergewichtig ist. Übergewicht ist ein Risikofaktor, unter dem bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung leidet. Es kann zu Erkrankungen wie Herzinfarkten, Rückenschmerzen oder Problemen an der Bandscheibe führen oder Folgeprobleme wie Krebs mit sich ziehen.

Was möchten Sie unseren Lesern noch abschließend mit auf den Weg geben?

Das, wenn Unterstützung beim Abnehmen gewünscht ist, man sich gerne bei uns melden kann. Wir schauen dann gemeinsam, ob und wie wir weiterhelfen können können. Wenn wir nicht der perfekte Ansprechpartner sind, weil die Ursachen vom Übergewicht woanders liegen, dann geben wir Empfehlungen raus, an welche Kollegen und Kolleginnen man sich weiter wenden kann. Uns ist stark daran gelegen, den Menschen genau die richtige Hilfe zu geben, die sie benötigen.

Wenn Du weitere Informationen zu Dr. Dotzauer haben möchtest, dann schauen doch einfach auf seiner Webseite vorbei.

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